Transformatorische Praxis (Veranstaltungsreihe) II

Jenseits von Traditionsmarxismus, falscher Kritik und Romantisierung

Kritische Gesellschaftstheorie ist traditionell sehr stark darin, die bestehende Gesellschaft zu kritisieren. Sie tut sich jedoch ebenso traditionell eher schwer damit, die Frage nach dem "wie" einer grundlegenden emanzipatorischen Veränderung der Gesellschaft zu beantworten. Viele Antworten des klassischen Marxismus der 1. und 2. Internationale vermögen heute nicht mehr zu überzeugen, darüber hinaus herrscht jedoch oft ein großes Schweigen im Walde.

Sicherlich ist es richtig, das es schwierig ist, sich eine Utopie en detail auszumalen, nicht zuletzt deshalb, weil wir möglicherweise zu sehr im Bestehenden befangen sind, um die emanzipatorische Gegenwelt tatsächlich denken zu können. Daher kann es auch nicht darum gehen eine Skizze einer freien Welt zu entwerfen, sondern erste Schritte zur Abwicklung der herrschenden Gesellschaft zu antizipieren.

In den letzten Jahren gab es eine Reihe Versuche, die prozesshafte Aufhebung des Kapitalismus mit dem Begriff der Transformation zu beschreiben. Mit dem Fokus auf die Prozesshaftigkeit solcher Versuche grenzt sich dieser Ansatz von klassischen Konzepten einer Überwindung des Kapitalismus ab, die darunter die einmalige politische Übernahme der Staatsmacht verstehen. Hier wird an die Erkenntnis angeknüpft, dass der Kapitalismus unsere sozialen Beziehungen und unser Welterleben in großem Maße prägt. In der Tradition emanzipatorischer Befreiungskämpfe bezeichnen einige Ansätze diesen Prozess nach wie vor als Revolution, andere ziehen den Begriff der „Transformation“ vor.

Bei Fragen oder Anregungen meldet euch gerne unter email-address.

"Keimformen des Neuen - Wie eine nichtkapitalistische Re/Produktionsweise in die Welt kommen und wie sie aussehen könnte"

Christian Siefkes, Oeconomicum Raum 0.169, 19 Uhr, Do, 19.03.

Der Kapitalismus reformiert und verändert sich ständig, bleibt sich dabei aber immer treu: Ziel allen kapitalistischen Wirtschaftens ist der Profit. Eine nichtkapitalistische Re/Produktionsweise muss ein anderes Ziel haben. Produziert wird hier, um Bedürfnisse zu befriedigen, wobei die Bedürfnisse aller gleichermaßen ernst genommen werden.

Eine veränderte gesellschaftliche Zielsetzung bliebe aber leere Rhetorik, wenn sich die dafür eingesetzten Mittel nicht ebenfalls ändern. Wie sich eine postkapitalistische Gesellschaft reproduzieren wird, lässt sich nicht genau vorhersagen, da verschiedene Varianten denkbar sind. Klar ist aber, dass an die Stelle kompetitiver Märkte (die die kapitalistische Logik in sich tragen) eine selbstorganisierte Kooperation auf Augenhöhe treten muss, bei der sich niemand unterwerfen oder verkaufen muss.

Die neue Logik kann nicht auf einen Schlag vom Himmel fallen, sie muss innerhalb des Kapitalismus entstehen, um diesen eines Tages ablösen zu können. Der Keimform-Ansatz fragt danach, wo sich die mögliche neue Logik heute schon zeigt und wie sie sich verbreiten kann.

„Commons – eine Vision für das Leben nach dem Kapitalismus?“

Brigitte Kratzwald, 12.03, 19:30 Uhr, ZHG 005

Der Commons-Diskurs ist vielfältig und hat viele Akteure und Ebenen. Manche hoffen, dass Commons nicht nur einen Weg aus dem Kapitalismus weisen könnten, sondern auch schon ein Modell für ein postkapitalistisches Leben sind. Commons bieten aber auch für den Kapitalismus einen Weg, sich selbst aus der Krise zu retten. Wie alle Alternativen sind Commons ambivalent und der Grat, auf dem sie sich bewegen, ist schmal. Sie machen Menschen unabhängiger vom kapitalistischen System, sie versorgen aber auch das Kapital mit kostenlosen Ressourcen, sie können emanzipatorisch wirken, sind aber immer von Einhegungen bedroht. Eine gesellschaftliche Transformation braucht viele Komponenten, die zusammentreffen. Commons können bestenfalls eine davon sein, die neuen Technologien dafür ein verstärkender Faktor. Nach einer Einführung in die Geschichte der Commons und die Prinzipien des Commoning werden verschiedene aktuelle Commonsdiskurse vorgestellt und ihr Verhältnis zum Kapitalismus diskutiert.

Im Workshop gibt es die Möglichkeit, anhand konkreter Beispiele die Ambivalenzen und Möglichkeiten von Commons auszuloten, aber, je nach Wunsch der Teilnehmenden, auch tiefer in die theoretische Diskussion einzusteigen.

Brigitte Kratzwald, Graz, ist Sozialwissenschaftlerin und beschäftigt sich mit alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, z.B. Solidarische Ökonomie, Commons und Subsistenz und den Möglichkeiten sozialer Transformation. Zu diesen Themen diskutiert sie auf Podien, hält Vorträge, und leitet Workshops oder Seminare. Sie ist außerdem im Organisationsteam des Elevate-Festivals und der Commons-Sommerschule in Thüringen und ist selbst in verschiedenen selbstorganisierten Projekten aktiv.


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Erschienen am: 06.03.2015 zuletzt aktualisiert: 14.03.2015 14:33 AutorIn: email-address